Von Mario Dieringer

Erfahrungen von einem Urlaub auf Paradies Madagaskar.

Willkommen zum zweiten Teil unseres Reiseberichts über die wunderschöne Insel Madagaskar.

Habt Ihr den ersten Teil verpasst?

Hier lade ich Euch ein, ihn zu lesen!

Madagaskar: Puderzuckerstrand und seltene Meereswelten

Ich hatte mir sagen lassen, dass es nicht nur an der Ostküste, sondern auch an der Westküste endlose Traumstrände gäbe und flog deshalb nach Tulear.

Tulear: Hauptstadt des Südwestens Madagaskars
Tulear: Hauptstadt des Südwestens Madagaskars

Zu gerne wäre ich mit dem Auto gefahren, doch immense Umwege, die übers Landesinnere geführt hätten, wollte ich nicht in Kauf nehmen.

Zwischen den Flüssen Fiherenana und Onilahy gelegen, bot die Stadt nicht sehr viele Sehenswürdigkeiten, außer einigen Kirchen und dem Edelsteinmuseum L’univers de la Pierre. Im kolonialen Stadtzentrum lockten einige gemütliche Bars und Restaurants.

Tuléar steht für „Wo man gut ankern kann“. Ich ankerte, und zwar am Strand von Ifaty, einem von Palmen-, Baobab-, Sukkulenten- und Mangrovenwäldern eingerahmten Traum.

Vor einigen Jahren konnte man sich hier noch ganz alleine die Zeit vertreiben. Mittlerweile hatte der Tourismus Fuß gefasst und verwöhnte den Reisenden mit Hotels, guten Segelbedingungen und etlichen Tauchrevieren.

Es siedelten sich einige Bars und Restaurants an, die gute und frische Meereskost anboten.

Ja sogar eine kleine Disco sorgte für Abwechslung. Für madagassische Verhältnisse hat Ifaty schon fast einen verrucht Ruf, denn hier geht es freizügiger und wilder zu, als in anderen Orten.

Das Meer vor Ifaty ist reich an allen Arten von Unterwasserleben.
Das Meer vor Ifaty ist reich an allen Arten von Unterwasserleben.

Ich für meinen Teil, widmete mich vor allem den Gegebenheiten unter Wasser und musste nicht lange nach einer Tauchbase suchen. 40 Minuten später, ankerten wir über einem wunderschönen Korallenriff. Nicht nur für Taucher, sondern auch für Schnorchler ein Erlebnis, denn innerhalb des Riffs konnte ich in nur wenigen Metern Tiefe, Muränen und den spektakulären Artenreichtum der Fische beobachten.

Besonders spannend, waren die zahlreichen Rochenarten, die sich im weißen Meeressand verbargen und hektisch flüchteten, als wir ihnen zu nahe kamen. Blaupunktrochen, Zitterrochen, Schwarzpunktrochen und sogar den großen Gitarrenrochen, der mit einer Länge von bis zu drei Metern, zu den Größten seiner Art zählt, trafen wir in den Gewässern an.

Majestätisch schwebten sie über oder unter uns hinweg und ließen mich oftmals sprachlos zurück. Leider ist auch dieses Refugium durch die weltweit steigenden Wassertemperaturen bedroht.


Pinkeln unterm Tamarindenbaum

Nur 35 Kilometer südlich von Tuléar, lohnt das Fischerdörfchen Anakao, um den Rest des Lebens dort zu verbringen.

Ich hörte von seltener Schönheit und zwängte mich deshalb mit einigen Bauern in ein Taxi Brousse, in Richtung Anakao.

Es war heiß und ich schwitzte mir die Seele aus dem Leib.

Diese Region gehörte zu den trockensten Gebieten im ganzen Land und Fahrten im offenen Pritschenwagen, waren eine staubige Angelegenheit.

Olivier, ein junger Mann aus Tana, klärte mich während der Fahrt über die Gebräuche seines Landes auf. Thema waren die heiligen Pflanzen. Mit im Auto, saß eine junge Frau, die wenige Tage zuvor Mutter wurde.

Um die bösen Geister abzuhalten, die für Entzündungen sorgen könnten, wurde ihr Gesicht mit gelber Lehmfarbe bemalt. Eine Tradition, der ich im ganzen Land begegnen sollte.

Unterschiedliche Farben und verschiedene Arten der Bemalung, gaben Aufschluss, welche Krankheit behandelt wurde oder vor welchen Geistern die Person geschützt werden musste.

Während der Fahrt auf der holperigen Piste, drückte meine Blase und ich bat den Fahrer anzuhalten, um mich im nächsten Gebüsch zu erleichtern.

Als ich den Wagen verließ, rief mir Olivier zu „Don´t shit or pee under a Tamarin Tree – they are holy.“

Vollkommen verwirrt stellte ich mich an den Wegesrand und hoffte, dass ich kein heiliges Gras beschmutzen würde. In Anakao angekommen, verschlug es mir die Sprache.

Puderzuckerweißer Strand, türkisfarbenes Meer, Rundbungalows direkt am Wasser, ein Ort zum Leben und Sterben gleichermaßen.
Puderzuckerweißer Strand, türkisfarbenes Meer, Rundbungalows direkt am Wasser, ein Ort zum Leben und Sterben gleichermaßen.

Ich ließ die Seele für eine Woche baumeln, bevor ich mich mit Tränen in den Augen auf den Weg machte. Jedoch war der Abschied nicht wirklich schlimm, denn Madagaskar besaß mehr als nur einen Garten Eden und es gab weitere Strände zum träumen, lieben und urlauben.


Wasservögel im trockenen Buschland

Nur 75 Kilometer von Tuléar entfernt, liegt der 43200 Hektar große Nationalpark von Tsimanampetsotsa.

Quasi um die Ecke sollte man denken, doch die Anreise ist beschwerlich und schwierig.

Ich hatte mir einen Fahrer gemietet und benötigte fast sieben Stunden für diese lächerliche Strecke. Zwischenzeitlich hatte ich mich mit derartigen Fahrten und den widrigen Gegebenheiten arrangiert. Mir blieb ohnehin nichts anderes über.

Auf Pisten fahren in Madagaskar: eine schreckliche Folter, die die Geduld eines Heiligen auf die Probe stellt
Hinweise in Madagaskar: eine schreckliche Folter, die die Geduld eines Heiligen auf die Probe stellt

Auf einem Kalkplateau grenzte der Park an einen großen See, der Heimat meiner Lieblingsvögel war und diese auch ernährte. Man konnte sie schon von weitem riechen.

Rosa Flamingos, noch und nöcher. Ich war froh, dass mein Guide, den sich jeder Besucher mieten musste, ein Fernglas hatte, denn so konnte ich noch jede Menge anderer Wasservögel beobachten.

90 Prozent der Pflanzen im Park, sind der drückenden Hitze angepasst und endemisch, so wie die Alluaudia Palmen.

Während wir uns in ihrem Schatten aufhielten, tummelten sich hoch über unseren Köpfen Lemuren, jene Feuchtnasenaffen, die mit ihren langen Armen und Schwänzen elegant von Baum zu Baum schwingen und Sinnbild Madagaskars sind.

So grazil ihre Bewegungen in der Luft waren, so merkwürdig bewegten sich die Katta-Lemuren auf der Erde fort. Seitlich hüpfend, überquerten sie Freiflächen, um schnell wieder auf einen Baum zu kommen.

Dabei müssten sich diese possierlichen Tiere keineswegs sorgen.

Raubtiere gibt es fast keine und der einzige Lemurenfeind könnte die Fossa sein, eine Verwandte der Mangusten, die eher einer Schleichkatze ähnelt.

Spät abends im Dunkeln, unternahmen wir noch eine Nachtwanderung, um dem kleinsten Lemurenvertreter, dem Mausmaki auf den Pelz zu rücken.

Der Mausmaki hatte jedoch keine Lust unsere Bekanntschaft zu machen, und ließ sich nicht blicken.
Der Mausmaki hatte jedoch keine Lust unsere Bekanntschaft zu machen, und ließ sich nicht blicken.

Zu gerne wäre ich die ganze Nacht geblieben, um den Sonnenaufgang im Wald zu erleben. Doch weder Führer noch Mitreisende ließen sich für diese Idee erwärmen.


Piraten am Nordkap

Drei Wochen später befand ich mich im Norden von Madagaskar, in Antsiranana oder dem ehemaligen Diego-Suarez, einer alten Piratenansiedlung.

Bei meiner Ankunft fegte ein starker Wind über die fast 250 Quadratkilometer große Bucht, aus der sich eine kegelförmige Zuckerhutinsel erhob. Diego unterschied sich deutlich von anderen Städten auf Madagaskar.

Große graue Steinhäuser, im Stil der französischen und portugiesischen Eroberer, prägen das Stadtbild in Diego Suarez - Bild von Rod Waddington
Große graue Steinhäuser, im Stil der französischen und portugiesischen Eroberer, prägen das Stadtbild in Diego Suarez – Bild von Rod Waddington

Für Seefahrer und Händler war Antsiranana über Jahrhunderte hinweg, eine wichtige Anlaufstelle. Dadurch wurde aus der Siedlung in der windigen Bucht, ein multikulturelles Handelszentrum, deren 100 000 Einwohner, sich aus Madagassen, Chinesen, Jemeniten, Komorer, Inder, Pakistanern, Somalis und einigen Franzosen zusammensetzten.

Dieses Völkergemisch ist auch heute noch allgegenwärtig, besonders auf dem Bazar Kely, dessen weiße Schirme heftig im Wind flatterten. Ihre Säcke und Strohkörbe behütend, grinsten mich die Frauen an und versuchten mir allerlei Kräuterzeugs anzubieten.

Das meiste hatte ich noch nie zuvor gesehen und auch nicht nötig. Meinem Magen ging es gut und auch eine spezielle rote Korallensorte zur Steigerung der Libido, lehnte ich dankend ab.

Ich scherzte mit der älteren Frau und es dauerte eine Weile bis sie mich entließ. Allerdings, nicht ohne mir ein Blatt Khat in die Hand zu drücken. Ich tat es den arabischen Männern gleich und kaute die Droge, die den Hunger verschwinden ließ, meiner Zunge ein taubes Gefühl verlieh und genügend Energie hergab, um den ganzen Tag umher zu rennen.

Als es Dunkel war, lief ich noch immer, denn mich faszinierte das nächtlichen Straßenleben der Bewohner Diegos, die den Bürgersteig zum Wohnzimmer machten. Aus Radios ertönte laute Musik, Kinder spielten Fange, gegrillte Fische verströmten einen leckeren Geruch und die Frauen saßen beisammen und stickten oder stritten um die Wette.

Meinen aufkommenden Hunger stillte ich mit einer asiatischen Variante von Zeburind, Gemüse und Reis. Am Ende benötigte ich drei Bier, um die Schärfe auf meinem Gaumen zu neutralisieren.

Tags darauf, schloss ich mich einer kleinen Gruppe englischer Touristen an, mit denen ich einen zweitägigen Ausflug in den äußersten Norden Madagaskars machte.

Mit einem Sammeltaxi holperten wir durch die Schlaglöcher und folgten der wilden Küstenlandschaft und der sich anschließenden Savanne, bis Windsor Castle, einer Ansichtsruine, auf einem kleinen Hügel. Für die knapp 400 Meter Aufstieg, benötigten wir fast zwei Stunden, was mir noch heute ein Rätsel ist.

Es war zwar nicht bequem und hatte am Ende sogar noch Treppen, aber zeitraubend sollte das Erklimmen des Gipfels eigentlich nicht sein.

Oben angekommen, die Überraschung schlechthin. Uns bot sich eine spektakuläre Aussicht über den gesamten Norden Madagaskars, einschließlich der Stadt Diego-Suarez. Bis heute ein unvergessliches Erlebnis.

Bild von Rod Waddington
Bild von Rod Waddington

Zur Abkühlung brachte uns der Fahrer an einen einsamen Strand, wo wir uns für eine Stunde abkühlen konnten. Den Ausflug und den Tag beendeten wir abends, am Nordcap Madagaskars, das sich als raue Mondlandschaft präsentierte. Wir zelteten in einer gottverlassenen Bucht, bevor wir kurz nach Sonnenaufgang den Heimweg nach Diego antraten.

In Madagaskar scheint es keinen Mangel an paradiesischen Stränden zu geben  Bild von Krishna Naudin
In Madagaskar scheint es keinen Mangel an paradiesischen Stränden zu geben Bild von Krishna Naudin

Schöne Würger und 1000 Bäumen

Noch vor Sonnenaufgang schnappte ich mir ein Taxi und fuhr die 30 Kilometer bis zum 18000 Hektar großen Nationalpark Montagne d´Ambre.

Ich wollte früh dort sein, um das Erwachen des Regenwalds zu erleben, der nur 3400 Hektar des Parks bedeckte.

Mit meinem Guide Samuel, machte ich mich auf, zu einer 15-stündigen Trekkingtour. Ich saugte die feuchte Waldluft bis in den letzten Winkel meiner Lunge ein. Es tat gut.

Über uns wölbte sich ein ausgedehntes Blätterdach, in dem es heiß herzugehen schien.

Lemuren sprangen von einer Baumkrone in die andere und die zahlreichen Rufe verschiedener Tierarten machten mich unvorsichtig. Mein ständiges nach oben schauen, ließ mich mehrmals stolpern. Das legte sich, als ich fast auf eine Schlange trat. Ein wunderschöner Python kreuzte unseren Weg und nachdem ich mich mehr dem Boden als dem Himmel zuwandte, entdeckte ich, dass wir scheinbar durch ein Schlangenparadies wanderten.

Ständig sah ich die hübschen Würger unseren Weg kreuzen. Rechts und links seltene Orchideen und im Geäst die unterschiedlichsten Arten der Feuchtnasenaffen. Ein Reptil interessierte mich ganz besonders und ich hoffte, dass wir es finden würden.

Ich suchte das kleinste Chamäleon der Welt.

Gerade mal zwei Zentimeter misst das Tier, welches ich ohne den Guide nie gesehen hätte. Wie konnte Samuel im relativ zügigen Wanderschritt, ein kleines grünes Reptil, auf grünem Grund erkennen?
Gerade mal zwei Zentimeter misst das Tier, welches ich ohne den Guide nie gesehen hätte. Wie konnte Samuel im relativ zügigen Wanderschritt, ein kleines grünes Reptil, auf grünem Grund erkennen?

Ich setzte mich auf den Boden und beobachtete, wie ich beobachtet wurde und das Tier seine Augen nach allen Seiten nach mir rollte. Bewegen wollte es sich nicht. Also ließ ich es in Ruhe, nachdem ich sein Konterfei im Kasten hatte.

Beeindruckend auch die Anzahl an bunten und seltenen Vögel im Park. Sie machten den Großteil der Krachmacher aus. 75 verschiedene Arten tummelten sich im Blätterdach, erzählte mir Samuel, der an einer Stelle mit besonders vielen Bromelien, wenn es denn welche waren, in deren Wasser gefüllte Blatttrichter schaute, bis er mir einen braun-gelben Frosch präsentierte.

Dies sei einer von 25 vor Ort lebenden Arten, klärte mich Samuel auf, der für den restlichen Tag keine weitere Froschspezies mehr auftreiben konnte.

Zwei Stunden später erreichten wir die Allee der 1000 Bäume. Urwaldriesen, Baumfarne, Luftwurzeln – Tarzan hätte seine hellste Freude gehabt, die er allerdings mit mir teilen müsste.

Am liebsten wäre ich für immer geblieben, so schön war es.

Eine der Besonderheiten des Parks ist übrigens, dass sich dieser Regenwald in einer relativ trockenen Ecke Madagaskars befindet und sich nur aufgrund eines besonderen Mikroklimas entwickeln konnte. Deshalb regnete es auch täglich um die Mittagszeit. So auch während unserer Wanderung.

Die heiligen Wasserfälle kündigten sich mit lautem Getöse an. Ob sich hier böse oder gute Geister treffen, wollte ich von Samuel wissen. Er lachte und ermahnte mich, keine Witze über die Ahnen zu machen. Ok, ich ließ es besser.

Nach einer gewissen Zeit, um nicht von vielen Stunden zu sprechen, dünkte es mir, dass ein einziger Tag viel zu wenig war, um diesen Park vollständig zu entdecken. Es gab Seen, Wasserfälle, eine Fledermauszuchtstation, Schlangen, Echsen, Vögel, Lemuren und auch außerhalb des Waldes, boten sich dem Reisenden etliche Naturschauspiele.

Nach vielen Kilometern entdeckte ich endlich mein Lieblingsreptil, den großen Madagaskargecko mit seiner wunderschönen roten Zeichnung.

Gegen Abend machten wir eine Hütte zu unserem Nachtlager. Samuel kochte Tee und Reis und grillte Gemüse über dem offenen Feuer. Wir sprachen nicht viel, sondern lauschten den Geräuschen der Nacht.

Ich hoffte, dass wir vielleicht noch einen Aye Aye zu sehen bekämen. Leider empfand es der kleine Waldwicht, mit seinen skelettartigen langen Fingern, den riesigen Augen und den beweglichen Fledermausohren, nicht sonderlich erstrebenswert meine Bekanntschaft zu machen und hielt sich von uns fern.

Am nächsten Morgen forderte der Pfad auf den 1475 Meter hohen Gipfel des Bergmassives, meine letzten Energiereserven. Schwer hing die Nebeldecke dicht über den Baumwipfeln und noch schwerer fühlten sich meine Beine an. Trotzdem staunte ich über dieses beeindruckende Naturschauspiel, bis zu dem Moment, in dem ich über eine Wurzel strauchelte und mir böse das Bein verstauchte. Samuel beschaffte mir einen Stock. Das linderte meine Schmerzen leider nur wenig.

Fast strafend schaute er mich an. „Ich hatte Dich gewarnt. Jetzt haben Sie Dich bestraft.“

Ich war empört und trotzdem kleinlaut. Es dauerte lange, bis wir den Park verlassen hatten. Samuel fuhr mich bis zur Straße nach Diego, wo wir ein Sammeltaxi anhalten konnten, das mich mitnahm.

In Diego angekommen, ging ich zum Arzt und es dauerte eine Woche, bis ich mich zum Ankarana Nationalpark aufmachen konnte.


Ankarana Nationalpark

Ankarana Nationalpark - Rod Waddington
Ankarana Nationalpark – Rod Waddington

Ich konnte es kaum glauben, aber die 110 Kilometer legte das Taxi in madagassischer Rekordgeschwindigkeit zurück, denn von Diego führte eine gut ausgebaute Schnellstraße direkt zum Ankarana Nationalpark.

Ein Gefühl, das ich gar nicht kannte überkam mich, als wir ankamen. Ich war fit und ausgeruht und das trotz einer Fahrt von über 100 Kilometern.

Ankarana bedeutet soviel wie „Wo es spitze Steine gibt“ und beschreibt diesen unwirklichen Ort nur unzureichend, denn das Gestein ist hart, spitz und messerscharf.

Ich tat gut daran, festes Schuhwerk bei mir zu haben. Ein 120 Kilometer langes Flusssystem unterspülte das Gebirge und formte zahlreiche Canyons, Höhlen und Grotten. Eigentlich handelte es sich bei dem Gestein um riesige Korallenbänke, die jetzt als Tsingy-Gebirgsstöcke bezeichnet werden.

Tsingy bedeutet „Nadeln“ und beschreiben die lebensfeindliche Form des Kalksteinkarsts, der durch zahlreiche Erdbeben aus dem Meer gehoben wurde.

Ich schwitzte mich mal wieder zu Tode und kämpfte mit dem salzigen Schweiß in meinen Augen. Wird es jemals trocken und kalt, fragte ich mich. Viele der Höhlen sind unerforscht und Abenteurer können nach wie vor allerlei entdecken. In manchen Höhlen gab es Krokodile.

Mir war nicht ganz klar, wovon die Urzeitechsen leben würden. Warten die, bis ein Affe ins Wasser stürzt oder fallen sie über unachtsame Touristen her? - Bild von Rod Waddington
Mir war nicht ganz klar, wovon die Urzeitechsen leben würden. Warten die, bis ein Affe ins Wasser stürzt oder fallen sie über unachtsame Touristen her? – Bild von Rod Waddington

In einer anderen Höhle hingen fette schwarze Tropfen von der Decke. Tausende Fledermäuse, die uns hektisch umflogen, als der Guide Touba, mehrmals in die Hände klatschte. Ein grauenhaftes Gefühl. Sofort verbat ich ihm, das nochmals zu machen.

Andere Höhlen dienten als Begräbnisstätten für die Antakarana, die ich natürlich nicht betreten durfte. Das gesamte Gebiet war heiliges Terrain und wirkte sehr archaisch. Mich wunderte, dass Touristen dieses Gebiet betreten durften.

Der Aussichtspunkt von Ambohimalaza, einem alten Vulkan, erinnerte mich an Szenen aus einem Science Fiction Film, so unwirklich ist der Blick über das graue Gestein. Was für ein Kontrast zu all den anderen Parks und was für ein Unterschied, zum Rest der Welt.

Selbst Steine können offensichtlich endemisch sein. Ich konnte es nicht fassen - Bild von Rod Waddington
Selbst Steine können offensichtlich endemisch sein. Ich konnte es nicht fassen – Bild von Rod Waddington

Ich nahm ein paar Gesteinsbrocken und warf sie in eine kleine Schlucht vor mir. Komisch, aber es klang sehr metallisch. Als ob ich einen Stein gegen eine dumpfe Glocke werfen würde.

Touba ermahnte mich, denn ich würde damit die Totenruhe stören. Es tat mir leid, ich hatte nicht daran gedacht.

Auf dem Weg zu den großen 20 Meter hohen Tsingy passierte es. In einer Grotte rutschte ich ab und stürzte drei Meter in die Tiefe. Die rasiermesserscharfen Felsnadeln schnitten mir ordentlich ins Fleisch und zerfetzten meine Hosen.

Meine Pflaster im Rucksack reichten für die Versorgung der Wunden nicht aus. Außerdem blutete ich heftig.

Touba ging und kam mit ein paar Pflanzen zurück, die er zerkaute und auf die blutenden Schnittverletzungen legte. Nach wenigen Minuten war die Blutung gestillt. Ich war sprachlos und dankbar.

Ich bat Touba mich nach Diego zurück zu fahren, was er gegen Honorar auch tat. Auf der Fahrt erklärte er mir, wie empfindlich die Ahnen sind, und dass ich mich das nächste Mal vorsehen sollte. Vielleicht hatten sie mir meinen Steinwurf übel genommen.


Masoala Nationalpark

Bild von Masoala Forest Lodge
Bild von Masoala Forest Lodge

Einen Monat später erreichte ich den Osten Madagaskars, den Masoala Nationalpark, den größten und ursprünglichsten Regenwald der Insel, zu dem auch drei Meeresparks gehören.

Weltweit zählt dieses Reservat zu den wichtigsten Forschungsarealen für Biologen und fast täglich werden unbekannte Tier- und Pflanzenarten entdeckt.

Gleich der Vertreibung aus dem Paradies, sollte der schönste Ort Madagaskars, das Ende meiner Reise werden.

Die mächtigen Baumstämme mir unbekannter Bäume, waren die Heimat des größten Geckos der Welt, des Uroplatus fimbriatus.

Das skurrile Aussehen des Uroplatus fimbriatus machte ihn zum Sinnbild für die bösen Geister eines ganzen Volkes - Bild von Frank Vassen
Das skurrile Aussehen des Uroplatus fimbriatus machte ihn zum Sinnbild für die bösen Geister eines ganzen Volkes – Bild von Frank Vassen

Sein Zorn und Fluch sollte mich in wenigen Tagen treffen.

Der seltene rote Lemur war in diesen Wäldern ebenfalls zuhause und der flammende Tomatenfrosch sprang nur in dieser Gegend, durch das feuchte Unterholz.

Wer Glück hat, begegnet einer wahren Sehenswürdigkeit, nämlich dem Giraffenkäfer, der mit endlos langem Hals über das morsche Blattwerk stolziert.

Von Juni bis September halten sich an der Küste, die aus der Antarktis kommenden Buckelwale auf, um in den wärmeren Gewässern ihre Jungen zu gebären. Ich war also genau richtig, der September hatte eben erst begonnen.

Ich freute mich auf die Bootsfahrt und das Trekking. Unsere kleine Truppe ließ sich von Olivier führen, der ein wenig wie Crocodile Dundee wirkte. Ohne ihn, hätten wir viele Tiere nicht bemerkt und den Weg zurück in die Zivilisation niemals gefunden.

Wir fuhren mit dem Boot auf einem weit verzweigten Kanalsystem, tief in den Regenwald, wo wir ausgesetzt wurden, um in 7 Tagen wieder zurückzulaufen. Schon am ersten Tag kamen wir in ein kleines Dorf. Fast alle Frauen hatten eine schützende Bemalung im Gesicht.

Die Männer trugen nur Tücher um die Hüften. Auch die Dorfkrankenschwester, die mir meine letzte Spritze Chloroquin, gegen Malaria in den Po geben musste, trug orangen Lehm im Gesicht.

Bild von Masoala Forest Lodge
Bild von Masoala Forest Lodge

Das halbe Dorf stand um uns herum und die Mädchen kicherten laut, als ich die Hose runter ließ. Ich trug es mit Fassung. Später übernachteten wir in Hängematten am Dorfrand.

Durch mein schützendes Moskitonetz lauschte ich den Klängen und verwirrenden Geräuschen des Regenwaldes. Ich konnte nicht schlafen, stand auf und begann mit meiner Taschenlampe, um das wenige Hütten umfassende Dorf zu laufen.

Als ich mich an einen Baumstamm lehnen wollte, zischte es laut auf und ein weit aufgerissener Drachenrachen attackierte mich.

Ich hatte den Teufel des Dschungels übersehen und den Madagassischen Plattschwanzgecko empfindlich gestört. Erschrocken blieb ich stehen und beobachtete seine Flucht den Baumstamm hinauf.
Ich hatte den Teufel des Dschungels übersehen und den Madagassischen Plattschwanzgecko empfindlich gestört. Erschrocken blieb ich stehen und beobachtete seine Flucht den Baumstamm hinauf.

Das war genug Abenteuer für eine Nacht und ich ging wieder schlafen.

Drei Tage später hatte ich Fieber, Schüttelfrost, wahnsinnige Kopfschmerzen und ich litt an Erbrechen. Ich wusste, was dies zu bedeuten hatte. Es war mein dritter Malaria Tertiana-Anfall und ich musste nach 9 Monaten Afrika sofort raus aus dem Dschungel und zurück nach Deutschland, um mich einer besseren medizinischen Behandlung zu unterziehen.

Eine Woche später landete ich in Frankfurt und wurde in die Tropenklinik eingewiesen.

Die Malaria-Erkrankung wurde ich schnell wieder los und des Teufels Fluch hielt offensichtlich nicht ewig an. Doch leider leide ich bis heute an einer anderen Krankheit: der Sehnsucht nach Madagaskar.



Madagaskar verbirgt viele andere Paradiese:


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