
Tropische Urwälder, weiße Strände, ein Hochgebirge überwuchert von dichtem und unberührtem Regenwald: São Tomé und Principe bietet eine atemberaubende Kulisse wie aus dem Bilderbuch.
Auf dem blau glitzernden Ozean erstreckt sich das kleine Archipel São Tomé und Príncipe über zwei Hauptinseln und eine Handvoll ihnen vorgelagerter, meist unbewohnter Eilande.
São Tomé und Príncipe ist kein besonders großes Land: Mit einer Größe von etwa 964 Quadratkilometern steht der kleine afrikanische Staat bezüglich seiner Fläche auf dem vorletzten Rang Afrikas – kleiner sind nur die Seychellen.
Auf einigen Weltkarten sind die Inseln nicht einmal eingezeichnet.
Geologisch sind sie Teil einer einst vulkanischen, vom nordwestlich gelegenen Kamerunberg ausgehenden Inselbrücke. Einige dieser erloschenen Vulkane bestimmen noch heute das Landschaftsbild.
Der beeindruckendste von allen ist zweifellos der Pico de Sao Tome. Er reckt sich auf der südlichen Hälfte der Insel in eine Höhe von 2 024 Metern empor, schützt damit den Norden gegen die regenträchtigen Passatwinde aus dem Südwesten und ermöglicht die intensive Kulturlandschaft, die dem Land einst großen Reichtum bescherte.





São Tomé und Principe: Vergangenheit aus Schokolade, Zukunft aus Öl
Den portugiesischen Kolonialherrschern sind die fruchtbaren Eigenschaften dieser Erde nicht entgangen. Schon Ende des 15. Jahrhunderts ließen sich die ersten Kolonisten auf São Tomé und Príncipe nieder.
Sie kontrollierten den Sklavenhandel zwischen Afrika, Portugal und Brasilien und begannen damit, eine lukrative Plantagenwirtschaft voranzutreiben. Zunächst herrschte hierbei der Anbau von Zuckerrohr vor. Später folgten Kaffee- und Kakaopflanzen.
Im Laufe dieser intensiven Bewirtschaftung stieg São Tomé und Príncipe zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum größten Kakaoproduzenten der Welt auf.
In der Hauptstadt des afrikanischen Archipels, São Tomé, finden sich zahlreiche Hinterlassenschaften dieser “süßen Epoche”.
In der mit 50 000 Einwohnern bevölkerungsreichsten Stadt der Insel erinnern verschiedene Bauten an die portugiesische Herrschaft. Besondere Erwähnung verdienen die Festungsanlage, die Kathedrale sowie der koloniale Hauptmarkt.
Unter dem von bunten Säulen getragenen Holzdach des Hauptmarkts treiben wie zum Zeitpunkt seiner Entstehung eifrige Händler ihre Geschäfte voran. Lauthals werben sie für ihre Waren: Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch. Kinder spielen lachend vor dem Eingang. Alte Musikrekorder spielen kreolische Rhythmen, die zum Tanzen anregen.
Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch. Kinder spielen lachend vor dem Eingang. Alte Musikrekorder spielen kreolische Rhythmen, die zum Tanzen anregen.

Eine wenig vielversprechende Zukunft für die verarmte Bevölkerung São Tomé und Principe
Nicht weit von hier befindet sich die Kaffeeplantage “Monte Café“.
Sie liegt etwa 800 Meter hoch auf einem Hügel. Die Bauwerke sind fast zur Ruine verfallen, man fühlt sich hier wie in eine andere Zeit versetzt. Den einstigen Glanz der Roças, wie man die ehemaligen Anlagen und Herrenhäuser der Portugiesen nennt, kann man nur erahnen.
Von dem üppig gestalteten Großbetrieb und seiner Kirche ist wenig geblieben.
Die knapp 1 000 Säcke, die heute ausgeführt werden, zeugen davon, dass die Zeiten der Rekordexporte unwiederbringlich vergangen sind.
Die von den Sklaven abstammenden Arbeiter bezweifeln einen erneuten Aufschwung. Denn so reich wie São Tomé und Príncipe an natürlicher Schönheit ist, so arm und verwahrlost leben seine Menschen.
Von den 140 000 Bürgern haben die meisten keine Arbeit beziehungsweise eine Aussicht darauf.
Als 1974 die kommunistische Revolution in Portugal siegte, flohen die weißen Herren aus ihrem Traumland am Äquator und überließen São Tomé und Príncipe seinem Schicksal. Noch im gleichen Jahr erfolgte die Unabhängigkeit, dann eine autoritäre Regime kommunistischer Orientierung.
Heute, regiert vom demokratisch gewählten Präsidenten Carlos Manuel Vila Nova, wagt der kleine Inselstaat unsichere Schritte in Richtung Demokratie. Die verarmte Bevölkerung hat vom Sturz der Diktatur wenig bemerkt: Das Elend ist geblieben. Gerüchten zufolge kann sich dieser Zustand angeblich bald ändern, denn die beiden Atlantikinseln besitzen das “schwarze Gold”: Öl.
Reiche Meere, reiche Erde
Auch die Arbeiter von “Monte Café” haben von dem Ölvorkommen gehört.
Hoffnungen, dass sich ihre Lage dadurch verbessert, hegt allerdings niemand.
Laut Schätzungen von Experten verfügt die Region um São Tomé und Príncipe über Ölreserven im Wert von vier Milliarden Dollar, weswegen man den Staat auch als “schwarzes Brunei” oder als “zweites Kuwait” bezeichnet.
Die Vereinigten Staaten von Amerika beobachten São Tomé und Príncipe dahingehend sehr genau, denn die Weltmacht strebt eine zunehmende Unabhängigkeit von dem Öl der arabischen Länder an. Die Regierung des Inselstaats ist eventuellen Nutzungsrechten gegenüber offen eingestellt.
Dennoch:
Der normale Bürger glaubt nicht an den eigenen Wohlstand. Die Einwohner gehen davon aus, dass mit dem Aufkommen eines Ölbooms nur die mächtigen Familien von São Tomé und Príncipe davon profitieren werden. Den größten Gewinn würden aber die ausländischen Investoren machen. Sie suchen seit der Entdeckung des Öls im Jahr 2003 nach Möglichkeiten, die unter dem Meeresgrund liegende Flüssigkeit auf die Erdoberfläche zu befördern.

Die meisten Inselbewohner müssen sich mit einem Reichtum anderer Art begnügen: Eine großartige, fabelhafte Natur, die das Herz der wenigen ausländischen Wanderer schneller schlagen lässt.
Den Kern der Insel überwuchert ein undurchdringlicher Primärregenwald.
235 Quadratkilometer des beinahe unberührten Urwalds wurden zum Obô Nationalpark ausgerufen und sind entsprechend geschützt. Der Park nimmt etwa 30 Prozent der gesamten Landesfläche ein.
Die Besucher erleben viele Überraschungen: Glasklare Wasserfälle, schwindelerregende Kliffküsten und spektakuläre Aussichten über den Regenwald, der zahlreichen Vogel- und Schmetterlingsarten ein Zuhause bietet.
Wie viele andere vom Kontinent isolierte Inseln ist São Tomé und Príncipe reich an Arten.
Vogelfreunde finden hier gleich 15 endemische Arten, so auch den äußerst seltenen São Tomé Grosbeak, der bislang nur zweimal gesichtet wurde. Auch die Pflanzenwelt ist beeindruckend. Nur hier findet man eine bis zu drei Meter hohe Begonie und mehrere einzigartige Orchideenarten vor.


Ein dichtes Wanderwegenetz erschließt alle Teile des Nationalparks und kann in Begleitung von geschulten Wildhütern erkundet werden.
São Tomé und Príncipe: Ein unentdecktes Paradies

São Tomé und Príncipe wird unter Afrikakennern als Geheimtipp gehandelt.
Reisebüros werben für ein unverdorbenes Tropenparadies, in dem der Traum von Afrika noch “echt” ist.
Doch trotz der Versprechungen von einem türkisblauen Meer, fischreichen Korallenriffen und einer atemberaubenden Bergwelt begeben sich jährlich nur knapp 1 000 Besucher auf die Atlantikinseln. Das sind noch lange nicht genug, um der angeschlagenen Touristenbranche im Land Erholung zu verschaffen.
Weg vom Trubel des Marktes in São Tomé ist alles still.
Selbst die stickige Tropenluft scheint den Atem anzuhalten. Anwohner sitzen vor ihren heruntergekommenen Häusern. Die Fassaden zerbröckeln langsam, aber unaufhörlich.
Passanten laufen durch Straßen, die von wackelnden Laternen beleuchtet werden. Die von Löchern gesäumte Strandpromenade hat schon einmal bessere Zeiten erlebt. Während die älteren Einwohner dösen, spielen die jungen Menschen Karten und trinken traditionell hergestellten Schnaps.
Über Politik und Wirtschaft redet kaum jemand. Wie überall in Afrika sind die Menschen in São Tomé und Príncipe nur mit dem “Heute” beschäftigt – die Pläne über das große Wirtschaftswachstum sollen andere schmieden.
